Prof. Rolf Loch
 
 
Werke (Auswahl)
 
Eröffnungsreden
 

 

Eröffnungsrede zur Ausstellung von Rolf Loch
29. August 1992
Klaus Kowalski


Malen ist Auslegen von Farbe - nicht ausfüllen von Gegenstandsgrenzen.

Es war ein langer Weg der Künstler, bis sich diese Einsicht in der Moderne durchgesetzt hatte. Es begann mit Jan van Eyk und seinem Schüler Rogier van der Weyden, die im Symbolfarbenen das Kalt und das Warm der Farbe entdeckten. Es war Tizian, der zum ersten Mal in der Geschichte der Malerei eine Farbe ohne Gegenstandsbezeichnung in ein Bild brachte. Es war der verbissen geführte Streit zwischen den Poussinisten und den Rubinisten im 17. Jahrhundert, der die Frage klären sollte, ob die Farbe die Form des Gegenstandes bedeutsamer machen oder seiner farbigen Erscheinung dienen sollte.

Hinfort gab es diese beiden Richtungen, die sich im 19. Jahrhundert in Ingres, dem klassizistischen Formenthusiasten und in Delacroix, dem romantisch gestimmten Farbenthusiasten fortsetzen, bis die Impressionisten, voran Monet, die Farbe vom Gegenstand trennten. Nun brauchte die Farbe nicht mehr dem Gegenstand zu dienen, sondern wurde ein Instrument für sich und ganz aus sich. Cézanne folgerte daraus, daß nicht das, was wir vor und um uns sehen, gemalt werden könne, sondern daß der Maler gezwungen sei, mit seinem eigenen Mittel, der Farbe, ein adäquates Bild parallel zur Natur vor sich und den Betrachtern zu entwickeln. Dies war der Wendepunkt, ab dem sich die unterschiedlichsten Richtungen in der künstlerischen Einschätzung der Farbwirklichkeit bildeten.

Die Expressionisten z.B. bauten auf den psychologischen Farbwerten auf, die Stil-Bewegung stützte sich auf die Symbolkräfte der Farbe, die Informellen entdeckten schließlich die Materie der Farbe, den Farbkörper, als gestalterische Möglichkeit.

In dieser Entwicklungsgeschichte des Farbigen hat der Maler Rolf Loch einen ganz eigenen Bereich entdeckt und ausgearbeitet. Auch das Werk des im Jahre 1926 in Hannover geborenen, der Kunst, Kunstgeschichte, Pädagogik und Philosophie studierte, hat eine Entwicklungsgeschichte. Sie läßt sich an der weiteren Vita nachzeichnen, die in der Einladung abgedruckt ist. Im Überblick möchte ich dazu nur anmerken, daß Rolf Loch ein Maler mit Leidenschaft ist - und Sie hören richtig, daß sich in diesem Begriff das Wort "Leid" verbirgt. Für einen Künstler ist es nicht einfach, heutigen Ausrechnungsstrategien der Gewinnzählenden gegenüber zu bestehen. Es braucht einen unheimlich anmutenden Mut und eine innere Triebkraft dazu - vor allem dann, wenn ein Künstler wie Rolf Loch von Anbeginn an entschieden an einer der Moderne im besten Sinne des Wortes zugehörigen Konzeption gearbeitet hat. Sie ist es, die den Künstler weit über die Grenzen seiner beruflichen Wirkbereiche hinaus bekannt gemacht hat - und immer ist es eine Art Identifikation gewesen, die er mit der Natur und den Menschen anderer Länder eingegangen ist, in denen er gearbeitet und ausgestellt hat. Ganz besonders muß dabei Marokko erwähnt werden, dessen kreative Reflexe er in vielen Bildern verarbeitet hat und die für mich zu einem besonderen Abschnitt in seinem Werkschaffen zählen. Auch in dieser Ausstellung können Sie Werke dieser Zeit bewundern und dabei mitempfinden, daß Rolf Loch dieses Land mit der Seele liebt.

Er arbeitete, reiste, diskutierte, dachte nach, atmete ein und aus und erarbeitete sich dabei nach und nach eine Bildauffassung, die es vermochte, Ergebnisse der expressionistischen Farbauffassung mit der des Informellen auf eine originäre Weise zu verbinden und auszuarbeiten.

Da sehen Sie Bilder, in denen das Hell-Dunkel fast ganz verschwunden ist. Dadurch erhält die Farbe selbst eine im Bild herrschende Gleichwertigkeit. Sie ist der Ausgangspunkt seiner Malerei. Das war ein guter Zugriff auf das Phänomen Farbe, denn nur so konnte die sensible Vielfalt der Farbtonwerte besonders gepflegt werden. Man sollte sich schon das Vergnügen leisten, die Intensität der einzelnen Farbtonabstufungen in den Bildern Rolf Lochs zu genießen. Eine Welt des Reichtums an innerem Erleben - umgesetzt in eine umfangreiche Skala von Farbtonwerten - läßt sich allein schon dadurch entdecken.

Doch dies ist erst der Beginn, nicht das Ende der Bildschöpfungen Rolf Lochs. Es geht ihm nicht um eine gegenstandslose Emphatik des Farblichen sondern um die Übersetzung ganz konkreter Erlebnisse in die Welt des gemalten Bildes. Dies erkennen Sie vordergründig an den Bildtiteln, die Sie ernst nehmen dürfen - sowohl was die gewählte Bildfarbigkeit angelangt, als auch was die Gegenstandsandeutungen angeht. Dennoch ist auf den Bildern nichts zu finden, was man in der Romantik ein pittoreskes Motiv genannt hätte. Eher müßte man sagen, die Organisation der Farbtöne auf der Fläche gebiert aus sich Anhaltspunkte für unser Wahrnehmungs- und Assoziationsvermögen. So ist Gegenständliches in dem sensiblen Aufbau der Farbtonwerte integriert. Damit hat er die Neuzeit mit ihrer zentralperspektivischen Sicht und der behaupteten Eindeutigkeit der Dingansichten vom eigenen Standpunkt aus weit hinter sich gelassen und sich dennoch nicht in einer unverbindlich wirkenden Ästhetisierung der Farbe verloren.

Mit seiner Methode des prozessualen und assoziativen Zugangs zum Bildhaften erreicht der Künstler eine Offenheit der Bildzugangsmöglichkeiten, die den Betrachter auffordert, eigene Stimmungs- und Vorstellungsaspekte in das Bild einzubringen. Nicht der Künstler sondern der Betrachter vollendet das Bild. Es ist eines der Grundanliegen des Künstlers, die Natur und den Betrachter eine Teilhabe an dem Wirk- und Gestaltungsprozeß zu ermöglichen. Das geschieht auf fast gleicher Ebene wie der des Künstlers, der während des Malprozesses für sich Farbformen findet, die nicht im voraus festgelegt wurden. Wie der Betrachter mit den Augen so tastet sich auch der Maler mit seinen Werkzeugen in das Labyrinth seiner Farbvisionen vor. Erst in einem zweiten und dritten Zugriff auf den materiellen Zustand des Bildes werden technische Mittel gezielt und bewußt eingesetzt, den Aussagewert des Bildes in der Schwebe zu halten. Sie sehen da z.B. Risse und Verwerfungen, die über Farb- und Formgrenzen hinweglaufen. Sie geben eine zusätzliche Distanz und Tiefe schaffende Irritation. Dann entdecken Sie, daß der Maler mit dem Pinselstil die Schönheit des farbigen Auftrags aktivierend beunruhigt hat und damit dem Prozessualen - dem Werden statt dem Sein - den Vorzug gegeben hat und Sie können entdecken, daß auch mit Lasuren - also durchscheinenden Farbschichten gearbeitet wird. Die Farbstruktur wird minutiös strukturiert durch den Einsatz von Dekalkomanietechniken und vieles andere mehr, was den Maler letztlich als einen Könner in seinem Metier ausweist.

Dies ist die Methode eines im Suchen reif Gewordenen, der über die verschiedenen Möglichkeiten der Verwirklichung seines Grundgedankens verfügt. Doch entdecken Sie im Werk Rolf Lochs - auch in dieser Ausstellung - sporadisch immer wieder auch den Versuch, das immaterielle Moment gemeinsamer Teilhabe in der symbolischen Ebene der Zeichenfindungen konkreter zu bestimmen. Sie finden ab und an großformatige Blätter mit einprägsamen Zeichengebilden. Der Betrachter glaubt, er könne hier jedes der Zeichen verstehen, empfinden, nachfühlen - aber je tiefer es beeindruckt, desto schwieriger ist es, das uns Sichtbare in den abgrenzenden Worten der Begriffssprache zu fassen. So bleibt auch hier das Prinzip Offenheit erhalten - bereit, uns in der Verdeutlichung unserer Gefühle zu helfen.

Das, was uns durch dieses Werk an Möglichkeiten neu zu sehen vermittelt wird, verlangt dem Betrachter ein kreatives Potential ab, über das nicht jeder in jedem Augenblick verfügt. Das macht unsicher. Dieses Gefühl der Unsicherheit ergreift auch den Maler selbst, wenn er sich - vergewissernd - erneut dem unmittelbaren Augeneindruck bildhaft zuwendet. Manch einer wird da an den Vorwurf des Stilbruchs erinnert. Es ist wie ein Atemholen im Gleichklang mit dem, was die Natur an Farben und Formen modellhaft vorstellt, das hier den Künstler leitet. Und: Was vorgestern noch als Stilbruch hätte gelten können, ist heute die erkennbar gewordene Ehrlichkeit zu einer im Menschen angelegten Vielschichtigkeit von Wahrnehmungsmöglichkeiten. Wir müssen einen solchen Vorgang im Oeuvre eines heutigen Künstlers - im Kontext zur Philosophie der Postmoderne - als sensibles Hineinhorchen und offenes Austragen der eigenen heterogenen Vielschichtigkeit einer Persönlichkeit verstehen. Sie tritt uns auch in Werk, Maler und im Menschen Rolf Loch entgegen. So bleibt es auch hier beim Prinzip Offenheit, die nun auch gegen den Künstler selbst gewendet wird. Das ist die Quintessens dieses Malerlebens, wie ich es heute sehe.

Ich möchte enden mit einem Zitat aus einer Eröffnungsansprache von Heiner von Bömmel im Jahr 1977, die meine Empfindungen im Anblick dieses Werkes in knappster Form zusammenfaßt:

"Rolf Lochs Arbeiten sind geprägt von Realismus und Imagination, von Anschauung und Begrifflichkeit, von der Synthese zwischen äußerer und innerer Welt, von stiller Intensität, wie sie der Persönlichkeit des Malers eigen ist".

Ich beglückwünsche Sie, ein solches Werk in diesem Hause einige Zeit um sich haben zu können. Mögen auch Sie Zugang zum Besonderen dieser Malerei finden und in untrennbar gewordener Liebe zu dem in ihr dargestellten Allgemeinen entbrennen - es lohnt sich! Und damit eröffne ich diese sehenswerte Ausstellung.

 


 

 

 
Prof.Rolf Loch ,Werkstatt-Galerie, Sonnenrain 24, 73066 Uhingen-Nassachmühle, Deutschland